Madagaskar: Eine Katastrophe folgt der nächsten

06.04.2020
Die Solidaritätsgruppen oben haben dieses Haus zum Schutz ihrer Reisvorräte vor Überschwemmungen gebaut . Dem Virus haben sie nichts entgegenzusetzen.

Der Hafenstadt Toamasina an der Ostküste Madagaskars bleibt im Moment nichts erspart. Mitte März wurden als Folge des Wirbelsturmes Herold die tiefer gelegenen Quartiere überschwemmt. In vielen Häusern stand das Wasser knietief. Und als das Wasser begann, sich zurückzuziehen, erfuhren die Menschen von der nächsten Bedrohung: eine weltweite, vor der sich sogar die entwickelten Länder fürchten.

Alle Projekte von Fastenaktion sind mit neuen, zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert. Am 24. März berichtete aus der Hafenstadt Toamasina Jean Céléstin Heriniaina, der Verantwortlichen des Projekts mit rund 1500 Solidaritätsgruppen.

Am 17. März trat in Madagaskar der erste Fall von Covid-19 auf. Die Überschwemmungen und jetzt die Epidemie bringen das Leben durcheinander, viele reagieren panisch. Die Bewohnerinnen und Bewohner von Toamasina versuchen sich trotz des plötzlichen Preisanstiegs mit Reis, Gemüse und anderen Dingen des täglichen Bedarfs einzudecken. Bereits ist das Speiseöl 5% teurer geworden, ein Sack Reis, der vorher 90’000 Ariary (23 Franken) kostete, wird jetzt zum doppelten Preis gehandelt. Im Bazary Kely – dem lokalen Markt – und in den Supermärkten war am 21. März alles leer gekauft. Auch die Tankstellen sind «trocken», es gibt weder Benzin noch Heizöl oder Gas.

Aber wie lange sollen unsere Vorräte reichen? Wir können annehmen, dass die Situation die Armut verstärkt. Madagaskar gehört zu den ärmsten Ländern der Welt, rund 80 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze von rund 2 Dollar/Tag.

Am 22. März rief der Präsident den Notstand auf und verfügte eine 15-tätige Ausgangssperre für die Hauptstadt und Toamasina. In den Strassen von Toamasina spürt man die Panik der Bewohnerinnen und Bewohner, auch wenn bisher noch keine einzige Ansteckung gemeldet wurde.

Fastenaktion plant, seine Partnerorganisationen in den 14 Ländern weiter im gleichen Umfang unterstützen, damit sie nicht gezwungen sind, Mitarbeitende zu entlassen und sie ihre Arbeit den Umständen anpassen können. Es ist in Madagaskar möglich, einen Teil der Beratung der Solidaritätsgruppen über Mobiltelefone zu machen. Die Kredite, welche die Gruppen ohne – oder nur gegen einen kleinen Zinssatz – vergeben, sind auch weiterhin möglich. Da es bisher nur wenig gemeldete Covid-19 Patientinnen und Patienten gibt, besteht die Hoffnung, dass sich das Virus nicht epidemisch ausbreitet – Es würde verheerende Folgen für die arme Bevölkerung haben.

Um diese Arbeit halten und weiterführen zu können, sind wir froh um jede Spende. Hier erfahren Sie mehr zu unserem Madagaskarprogramm.

 

 

Covid-19 als Zeitbombe für das Regime

Der Journalist Stefan Frey lebt in Olten und Diego Suarez im Norden von Madagaskar. Er hat dort die Organisation Mad’éole gegründet, welche Dörfer mit Wind- und anderen erneuerbaren Energien versorgt. Lesen Sie in seinem Artikel vom 5. April, was er als kritischer Beobachter zu Madagaskar und Covid-19 schrieb.

Am 1. April 2020, veröffentlichte die Beobachtungsstelle des öffentlichen Lebens in Madagaskar (Observatoire de la vie publique – SeFaFi), eine kritische Beurteilung des madagassischen Gesundheitswesens und äusserte schwerwiegende Zweifel an dessen Fähigkeiten im Hinblick auf die Bewältigung der Pandemie. Zehn Tage vorher hatte Staatspräsident Andry Rajoelina in einem pompösen Fernsehauftritt offiziell verkündet, dass das Corona-Virus zwischen dem 11. und 22. März mit Flügen aus Europa gelandet sei.

Die Regionen um die Hauptstadt Antananarivo und um die Hafenstadt Toamasina wurden unter Quarantäne gestellt, der Luftraum seit dem 22. März gesperrt, ebenso die Häfen. Dem Präsidenten zufolge zählte das Land am 2. April 59 Covid-19-Fälle. Kein Mensch im Land glaubt es, dafür werden die Ausgabestellen für Lebensmittelpakete von Tausenden gestürmt. Bilder vom Massenandrang verspotten die vom Präsidenten – der sich jetzt jeden zweiten Tag über die per Notstandsmassnahme requirierten Medien ans Volk wendet.

SeFaFi weist in ihrer neusten Verlautbarung auf ein zur Kultur gewordenes Phänomen hin: die Korruption. Auch im Gesundheitssystem seien Machtmissbrauch, Veruntreuung und offene Korruption längst zu einer existentiellen Bedrohung geworden. Die jahrelange Vernachlässigung des Gesundheitssektors habe die Spitäler praktisch ihrer Behandlungsmöglichkeiten beraubt. Neun von zehn Menschen der ländlichen Bevölkerung haben übrigens überhaupt keinen Zugang zum Gesundheitswesen.“

Zu den Projekten der Fastenaktion meint Frey: „Daneben gibt es zahlreiche rein privat organisierte und finanzierte Projekte, aus denen insbesondere jenes der Fastenaktion hervorzuheben ist, das über die Selbsterkennung der Schuldenspirale zur Selbstorganisation von Schuldnergruppen und schliesslich zu deren Befreiung aus den Wucherer-Fesseln führt. Weit über hunderttausend Menschen konnten so eine nachhaltige Perspektive entwickeln.“

Lesen Sie den ganzen Artikel von Stefan Frey zur Situation in Madagaskar auf Infosperber

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